Interview vom 10.01.2013 mit Prof. Dr. med. Christian Götze, Chefarzt, und Holger Stürmann, Geschäftsführer Auguste-Viktoria-Klinik Bad Oeynhausen GmbH

ENDOINFO: Wie viele Menschen erhalten in Ihrer Klinik jährlich einen Gelenkersatz?
Antwort: Die Tabelle zeigt die Daten aus den Jahren 2010 und 2011.

Auguste-Viktoria-Klinik Bad Oeynhausen GmbH: endoprothetische Versorgungen 2010 und 2011

Endoprothetische Versorgungen 2010/2011 Auguste-Viktoria-Klinik Bad Oeynhausen GmbH

ENDOINFO: Wenn Patienten zum Aufnahmegespräch in Ihre Klinik kommen, wie gut informiert sind diese: über den Gelenkersatz an sich, über Operationstechniken, über die Zeit und die Verhaltensregeln nach der Operation? Antwort: Da wir eine überwiegend elektive Versorgung anbieten und die Möglichkeiten konservativer Behandlungen soweit als möglich vor einer Operation ausschöpfen, sind die Patienten in der Regel recht gut über ihr Krankheitsbild und die Therapiemöglichkeiten aufgeklärt. Darüber hinaus erfolgt in unseren zahlreichen Sprechstunden eine intensive Beratung, unsere zuweisenden Arztkollegen aus dem niedergelassenen Bereich bereiten unsere Patienten ebenfalls schon sehr gut vor. Für die postoperative weitere Behandlung sowie Verhaltensregeln halten wir ausführliches Informationsmaterial vor und geben dieses unseren Patienten inkl. einer Erläuterung bereits während des Klinikaufenthaltes an die Hand. Unsere hauseigene Abteilung für technische Orthopädie ist bereits ab dem Aufnahmetag in die Versorgung eingebunden und stellt unseren Patienten alle erforderlichen Hilfsmittel inkl. Anpassung und Einweisung bereits vor der Entlassung zur Verfügung.

ENDOINFO: Wann und auf welchem Weg haben Sie vom Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) erfahren? Antwort: Erstmalig wurden wir das Endoprothesenregister 2010 im Rahmen des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie aufmerksam. Herr Prof. Hassenflug, Direktor der Orthopädischen Klinik der Universitätsklinik Kiel, hat seinerzeit berichtet. Im Rahmen des Süddeutschen Orthopädenkongresses 2012 in Baden-Baden wurden dezidierte Angaben zum Start und Verlauf des Endoprothesenregisters publik gemacht. Darüber hinaus sind wir bestrebt, unser Haus als Endoprothesenzentrum zertifizieren zu lassen, wofür eine Teilnahme am Endoprothesenregister hilfreich ist.

ENDOINFO: Die Teilnahme am Endoprothesenregister Deutschland erfolgt klinik- und patientenseitig auf freiwilliger Basis. Welche Gründe haben für Sie dafür gesprochen, sich für die freiwillige Teilnahme Ihrer Klink an den Datenerhebungen und -auswertungen durch das Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) zu entscheiden?
Antwort 1. Wir halten die Möglichkeit der mittel- bis langfristigen Erfassung sämtlicher Prothesenmodelle zur Evaluierung und zur Sicherung unserer Patienten für absolut erforderlich, um den hohen Erfolg und auch die Erwartungen der zu operierenden Patienten sicherzustellen.
2. Wir streben eine Zertifizierung an. Redaktionelle Ergänzung zum Interview mit Prof. Dr. med. Christian Götze: Die Klinik nimmt seit 1. Juli 2014 am Endoprothesenregister teil.
3. In Zukunft ist davon auszugehen, dass die Kostenträger bestimmte, planbare Leistungen nur noch bei Durchführung des Eingriffs in zertifizierten und mit hoher Expertise ausgestatteten Kliniken (Zentren) bezahlen werden. Die derzeit intensiv diskutierten Mindestmengen sind ein erster Schritt in diese Richtung, Selektiv- verträge mit Aushebelung des Kontrahierungszwangs könnte der nächste sein.

ENDOINFO: In Deutschland werden private Prüfinstitute mit der Zulassung von Medizinprodukten beauftragt. Staatliche Zulassungen sind nicht vorgeschrieben. Welche Änderungen an den bisherigen Zulassungsverfahren sind aus Ihrer Sicht unverzichtbar, damit der Weg von der Konstruktion einer Endoprothese über die Herstellung bis zum Operationstisch sicher wird für die Patienten? Antwort: Im internationalen Vergleich, insbesondere im Vergleich zum nordamerikanischen Raum, scheint der Weg zur Zulassung von Medizinprodukten weniger aufwendig. Wenn wir den Vergleich zum nordamerikanischen Raum mit der FDA als Prüfstelle vornehmen, so sind die Wege in Deutschland bis zur Implementierung eines Medizinproduktes in Form von klinischen Erstanwendungen deutlich reduziert. Wir benötigen, um auch zukünftig die Endoprothetik als seriöses Instrument zur Verbesserung der betroffenen Patienten darzustellen, nationale Registrierungsstellen, um kurz- bis mittelfristig etwaige Probleme identifizieren zu können. Somit ist die Implementierung des Endoprothesenregisters eine sinnvolle Ergänzung, um etwaige Probleme bei privaten Prüfstellen, Instituten oder staatlichen Stellen anzuzeigen.

ENDOINFO: „Patient Empowerment“ ist auf dem Weg, vom Modewort zu einer Haltung, auch zu einer Erwartungshaltung zu werden. Welche Vorteile sehen Sie für Kliniken, wenn Patienten durch relevante, nachvollziehbare Informationen zu Gesprächspartnern werden, mit denen sich Ärzte auch inhaltlich austauschen können? Antwort: Es geht nicht darum, ob diese Entwicklung richtig oder hilfreich ist, sondern sie ist Fakt und die Kliniken bzw. die Mitarbeiter in diesen sind gut beraten, sich darauf einzustellen. Unsere Mitarbeiter sind grundsätzlich angehalten, den Patienten umfassend aufzuklären und dieses gut zu dokumentieren. Darüber hinaus halten sich insbesondere unsere Ärzte durch laufende Fort- und Weiterbildung auf dem aktuellen Stand der medizinischen Entwicklung und sind damit in der Lage, Fragen und Hinweise der Patienten kompetent zu beantworten und Vor- und Nachteile alternativer Verfahren diesen verdeutlichen zu können.

ENDOINFO: Patientensicherheit ist gleichzeitig Kliniksicherheit. Denn angesichts stark zunehmender Transparenz werden nur jene Kliniken auf dem Markt bestehen, die ein langfristig gutes Gelingen ihrer Operationen (Standzeiten) nachweisen. „Auf Wiedersehen in vielleicht 30 oder 35 Jahren“ könnte eine vertrauensbildende Verabschiedung nach der endoprothetischen Versorgung sein. Was würden Sie einem Patienten heute im Erstgespräch sagen? Antwort: In einem Erstgespräch sagen wir dem Patienten, dass er davon ausgehen kann, dass, wenn die ersten 6 Wochen nach Endoprothesenimplantation problemlos verlaufen, auch der langfristige Verlauf erfahrungsgemäß gesichert ist. Wir würden davon ausgehen, dass bei deutlich verbesserter Standzeit der Endoprothesen, deutlich optimierter tribologischer Eigenschaften und unter Berücksichtigung bestimmter Verhaltensregeln der Patient davon ausgehen kann, dass keine weitere Probleme im Leben des Patienten bestehen. Nationale und internationale Studien belegen, dass allenfalls bei den jüngeren Patienten unter 55 Jahren in rund 5 % der Fälle Probleme auftreten und Austauschoperationen nach rund 15 Jahren erforderlich sind. Insbesondere beim älteren Patienten können wir davon ausgehen, dass bei einer gelungenen Operation keinerlei Probleme mehr entstehen und der langfristige Verlauf ggf. auch über 30 Jahre gesichert ist. Da die Implementierung der Endoprothese als standardisiertes Verfahren erst seit den 90er-Jahren fest etabliert ist, liegen uns langfristige Verläufe über 35 Jahre nicht vor. Bei deutlich verbesserter Operationstechnik und optimierter Implantatsicherheit sind langfristige Verläufe auch über 35 Jahre zu erreichen.

ENDOINFO: Wenn Qualität an einer Stelle (initiiert vom Endoprothesenregister Deutschland, medial aufbereitet hier über ENDOINFO.de) in positivem Sinne öffentlich wird, so hat dies Auswirkungen auf alle Beteiligten im und vor dem Gesundheitssystem: vom Medizinproduktehersteller über Kliniken bis zu Reha- Einrichtungen und Krankenkassen. Welche Fachbereiche außer Orthopädie / Endoprothetik sollten aus Ihrer Sicht ebenfalls vom Patienten verstehbar und bewertbar werden? Antwort: Die Möglichkeiten der Unterstützung des Behandlungserfolges durch intensive physikalische Therapie sowie die Versorgung mit Hilfsmitteln gehört u.E: zum „Gesamtpaket Endoprothese“. Unsere Technische Orthopädie/Sanitätshaus der Auguste-Viktoria-Klinik ist in 2012 als eines der besten 10 Sanitätshäuser in Deutschland mit dem Leonardo-Award ausgezeichnet worden.

ENDOINFO: Wenn Patienten sich unsicher sind, ob sie in die Registerteilnahme einwilligen sollen, mit welchen Gründen werben Sie für die Bereitstellung der anonymisierten Daten? Antwort „Die Qualität der Versorgung und das daraus folgende Behandlungsergebnis sind das ausschlaggebende Kriterium für die Wahl der Klinik. Da wir uns nicht nur haus- und konzernintern vergleichen wollen, ist eine Teilnahme an bundesweiten Benchmarks sehr wichtig und gibt uns Hilfestellungen zur weiteren Optimierung der Patientenversorgung. Dazu werden auch Ihre Daten benötigt, die natürlich anonym weitergeleitet werden.“

ENDOINFO: Abschließend eine Frage zum Gesundheitswesen, die heute noch hypothetisch wirken mag: Patientensicherheit ist Sache der Patienten. Diese Erkenntnis ergibt sich, weil Medizinprodukte in Deutschland ohne staatliche Zulassung in Menschen eingesetzt werden dürfen. Wie könnte aus Ihrer Sicht langfristig eine patientenseitig geleistete Kontrolle der Medizinprodukteindustrie aussehen? Über industrieunabhängige Stiftungen? Über unabhängige, von Medizinern begleitete Gremien, die ohne Lobbygruppen- und Politikeinflüsse ihr Veto einlegen können, wenn Zulassungsverfahren nicht sicher genug sind? Antwort: Industrieunabhängige Institute eignen sich dafür, staatliche Einrichtungen sind ebenfalls geeignet.

Vielen Dank für dieses Interview.

Kontakt:
Auguste-Viktoria-Klinik Bad Oeynhausen GmbH
Am Kokturkanal 2, 32545 Bad Oeynhausen
Fon 05731 / 247 – 160
Fax 05731 / 247 – 156