Prof. Dr. med. Dr. h.c. Joachim Grifka

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Joachim Grifka

Interview mit Prof. Dr. med. Dr. h. c. Joachim Grifka, Direktor der Orthopädischen Klinik für die Universität Regensburg im Asklepios Klinikum Bad Abbach

ENDOINFO: Bei wie vielen Patienten werden in Ihrer Klinik p.a. künstliche Gelenke eingesetzt?

Prof. Dr. Dr. Joachim Grifka: 1.817 (Stand 2011)

ENDOINFO:Wie beurteilen Sie den Informationsstand der Partienten, die zum Aufnahmegespräch in Ihre Klinik kommen?

Prof. Dr. Dr. Joachim Grifka: Patienten, die zu mir in die Sprechstunde kommen, haben sich in der Regel schon mit dem Gedanken eines neuen Gelenkes befasst. Die Betroffenen wissen oft wenig über Operationstechniken und begleitende Maßnahmen bei neuen Gelenken. Das war auch der Grund, weswegen ich sowohl die Grundlagen der Funktionsweise des normalen Gelenkes, Veränderungen bei Verschleißerkrankungen, wie Arthrose, sowie Verhaltensmaßnahmen und Behandlungsmöglichkeiten in einem ärztlichen Patientenratgeber zusammengefasst habe: Die große Gelenkschule, TRIAS-Verlag.

Ein informierter Patient kann gezielt Fragen stellen und weiß auch, wie er sich zur Schonung des Gelenkes, zur Kräftigung der Muskulatur, oder auch nach einem künstlichen Gelenk am besten verhält.

ENDOINFO: Wie haben Sie vom Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) erfahren?

Prof. Dr. Dr. Joachim Grifka: Als Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (Wissenschaftliche Orthopädische Gesellschaft) war ich einer der Initiatoren des Endoprothesenregisters.

ENDOINFO: Die Teilnahme am Endoprothesenregister Deutschland erfolgt klinik- und patientenseitig auf freiwilliger Basis. Welche Gründe haben für Sie dafür gesprochen, sich für die freiwillige Teilnahme Ihrer Klink an den Datenerhebungen und -auswertungen durch das Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) zu entscheiden?

Prof. Dr. Dr. Joachim Grifka: Es ist wichtig, die Ergebnisse der Versorgung in einem Register für künstliche Gelenke nachzuhalten. Darin zeigt sich auch die Qualität der Versorgung. Es ermöglicht dem Patienten, sich eine Klinik mit guten Resultaten für eine anstehende Operation auszusuchen.

ENDOINFO: In Deutschland werden private Prüfinstitute mit der Zulassung von Medizinprodukten beauftragt. Staatliche Zulassungen sind nicht vorgeschrieben. Welche Änderungen an den bisherigen Zulassungsverfahren sind aus Ihrer Sicht unverzichtbar, damit der Weg von der Konstruktion einer Endoprothese über die Herstellung bis zum Operationstisch sicher wird für die Patienten?

Prof. Dr. Dr. Joachim Grifka: Die Zulassung muss auf einheitlichen Prüf-Maßstäben beruhen. Üblicherweise werden biomechanische Testungen durchgeführt. Dies sind reine Labortests, die nur erste Anhaltspunkte liefern können. Sicherheit für den Patienten wird dadurch gewährt, dass Produkte verwendet werden, die gute Materialtests zeigen, mit großem Know-how des Operateurs präzise eingesetzt werden und eine gute, lange Belastbarkeit ermöglichen.

ENDOINFO: „Patient Empowerment“ ist auf dem Weg, vom Modewort zu einer Haltung, auch zu einer Erwartungshaltung zu werden. Welche Vorteile sehen Sie für Kliniken, wenn Patienten durch relevante, nachvollziehbare Informationen zu Gesprächspartnern werden, mit denen sich Ärzte auch inhaltlich austauschen können?

Prof. Dr. Dr. Joachim Grifka: Ein informierter Patient hat es z. B. einfacher, Verhaltensempfehlungen und spezielle Vorgehensweisen zu verstehen. Es ist immer unser Ziel, den Patienten gut zu informieren, damit er den Behandlungsablauf kennt und auch später weiß, wie er sich mit seinem neuen Gelenk richtig verhält, also beispielsweise, welche Freizeitaktivitäten und Sportarten möglich und günstig sind.

ENDOINFO: Patientensicherheit ist gleichzeitig Kliniksicherheit. Denn angesichts stark zunehmender Transparenz werden nur jene Kliniken auf dem Markt bestehen, die ein langfristig gutes Gelingen ihrer Operationen (Standzeiten) nachweisen.
„Auf Wiedersehen in vielleicht 30 oder 35 Jahren“ könnte eine vertrauensbildende Verabschiedung nach der endoprothetischen Versorgung sein. Was würden Sie einem Patienten heute im Erstgespräch sagen?

Prof. Dr. Dr. Joachim Grifka: Die sogenannten Standzeiten hängen ganz wesentlich von der Belastungssituation hab. Deswegen sind bei Knie- und Hüft-Prothesen Sportarten mit vermehrtem stop-and-go oder Sprungbelastungen zu meiden. Grundsätzlich darf man feststellen, dass jüngere Patienten oft wegen vermehrter beruflicher und auch privater Beanspruchung eher gefährdet sind, eine Prothesenlockerung zu erleiden. Grund ist immer, dass sich der Knochen um die Prothese herum abbaut und dann das Implantat locker wird.

Darüber hinaus ist es ganz besonders in der Anfangsphase, grundsätzlich aber auch in der Folgezeit nach einer Operation, wichtig, dass keine Keimstreuung über das Blut zur Prothese hin erfolgt und so beispielsweise eine Infektion des neuen Gelenkes auftritt.

ENDOINFO: Wenn Qualität an einer Stelle (initiiert vom Endoprothesenregister Deutschland, medial aufbereitet hier über ENDOINFO.de) in positivem Sinne öffentlich wird, so hat dies Auswirkungen auf alle Beteiligten im und vor dem Gesundheitssystem: vom Medizinproduktehersteller über Kliniken bis zu Reha-Einrichtungen und Krankenkassen. Welche Fachbereiche außer Orthopädie / Endoprothetik sollten aus Ihrer Sicht ebenfalls vom Patienten verstehbar und bewertbar werden?

Prof. Dr. Dr. Joachim Grifka: Für den Patienten ist wichtig, dass er sich darauf verlassen darf, dass er mit einem guten Produkt versorgt ist und die medizinische Behandlung – nicht nur ärztlich, sondern ebenso durch das Pflegeteam und die Physiotherapeuten – auf seine Bedürfnisse und Möglichkeiten zugeschnitten ist.

ENDOINFO: Wenn Patienten sich unsicher sind, ob sie in die Registerteilnahme einwilligen sollen, mit welchen Gründen werben Sie für die Bereitstellung der anonymisierten Daten?

Prof. Dr. Dr. Joachim Grifka: Das Register dient der Sicherheit des Patienten. Es dient jedem einzelnen Patienten, wenn wir deutschlandweit die Ergebnisse erfassen und transparent machen.

ENDOINFO: Abschließend eine Frage zum Gesundheitswesen, die heute noch hypothetisch wirken mag: Patientensicherheit ist Sache der Patienten. Diese Erkenntnis ergibt sich, weil Medizinprodukte in Deutschland ohne staatliche Zulassung in Menschen eingesetzt werden dürfen. Wie könnte aus Ihrer Sicht langfristig eine patientenseitig geleistete Kontrolle der Medizinprodukteindustrie aussehen? Über industrieunabhängige Stiftungen? Über unabhängige, von Medizinern begleitete Gremien, die ohne Lobbygruppen- und Politikeinflüsse ihr Veto einlegen können, wenn Zulassungsverfahren nicht sicher genug sind?

Prof. Dr. Dr. Joachim Grifka: Patientensicherheit ist das Ziel aller, die im Gesundheitswesen tätig sind. Es ist keinesfalls Aufgabe des Patienten, sich selbst um seine Sicherheit zu kümmern. Dies kann er im Einzelnen auch nicht gewährleisten. Die Aufsicht, dass alle Prozesse korrekt ablaufen, sollte in ärztlich-fachlicher Hand sein. Hierzu bieten sich unabhängige Zusammenschlüsse an, wie beispielsweise die wissenschaftliche orthopädische Gesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie. Hier gibt es auch Experten, die Ergebnisse bewerten und Zusammenhänge erklären können.

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