„Wir bauen darauf, dass mit Hilfe des Endoprothesenregisters die Zahl der Revisionen zurückgehen wird“

Interview mit Anneliese Bodemar, Leiterin der Landesvertretung der Techniker Krankenkasse (TK) in Rheinland-Pfalz, 31. März 2015
ENDOINFO: In Deutschland werden jedes Jahr etwa drei Millionen Implantate eingesetzt. Zu den bei weitem häufigsten Operationen gehört der Einbau künstlicher Gelenke. Wie viele Operationen dieser Art werden in Rheinland-Pfalz durchgeführt?

Anneliese Bodemar, TK-Landesvertretung Rheinland-Pfalz:
In Rheinland-Pfalz werden jährlich rund 13.000 Hüft- und Kniegelenke durch Prothesen ersetzt. Hinzu kommen fast 2.000 Wechseloperationen, die aus verschiedenen Gründen erforderlich werden.

ENDOINFO im Interview mit Anneliese Bodemar, Leiterin der TK-Landesvertretung Rheinland-Pfalz

Frau Anneliese Bodemar, Leiterin der TK-Landesvertretung Rheinland-Pfalz, im Interview zum Endoprothesenregister

ENDOINFO: Warum kommt es zu so vielen Wechseloperationen?

Anneliese Bodemar: Zum einen haben Implantate eine begrenzte Lebensdauer. Sie können aber auch fehlerhaft sein, wie beispielsweise die Skandale bei Brustimplantaten gezeigt haben. Bei Medizinprodukten, die in den Körper der Patienten eingebaut werden, ist es besonders wichtig, dass diese nach einheitlichen Maßstäben geprüft und zugelassen werden, um zu gewährleisten, dass nur Produkte verwendet werden, die den Anforderungen entsprechen und die Patientensicherheit gewährleisten. Die Haltbarkeit von Endoprothesen beträgt heute in den meisten Fällen rund zehn Jahre. Versagt das Produkt oder wurde es nicht präzise eingebaut, kommt es frühzeitig zu Nachoperationen.

ENDOINFO: Einheitliche Maßstäbe sind heute noch nicht der Fall?

Anneliese Bodemar: Derzeit ist der Marktzugang von Medizinprodukten noch unzureichend streng geregelt.

ENDOINFO: Die Techniker Krankenkasse beteiligt sich am Endoprothesenregister, kurz EPRD. Was erwartet sich die Techniker Krankenkasse hiervon?

Anneliese Bodemar: Wir bauen darauf, dass mit Hilfe des Endoprothesenregisters die Zahl der Revisionen zurückgehen wird. Fehler beim Einbau künstlicher Knie- und Hüftgelenke, Produktmängel oder gar Serienfehler bei Endoprothesen, die bei etlichen Patienten implantiert wurden, werden in Kliniken, die sich am EPRD beteiligen, künftig nicht mehr unentdeckt bleiben. Oberstes Ziel für uns als Kasse ist die Patientensicherheit. Diese kann nur durch einheitliche Qualitätsstandards gewährleistet werden.

ENDOINFO: Was genau ist das Ziel des EPRD?

Anneliese Bodemar, TK-Landesvertretung Rheinland-Pfalz:  Ziel des Endoprothesenregisters ist es insbesondere, mehr über die Standzeit künstlicher Gelenke zu erfahren, also über die Zeit, in der Implantate im Körper funktionstüchtig sind. Und die Zahl der Wechseloperationen zu senken. Erfahrungen aus anderen Ländern wie Schweden, Finnland, Island oder Norwegen haben gezeigt, dass die Register die Revisionsraten erheblich verringern können. Dort wurden bereits in den 70er und 80er Jahren Endoprothesenregister gegründet. In der Folge ist die Wahrscheinlichkeit für Revisionen um bis zu zehn Prozent gesunken, in Schweden fiel die Rate sogar auf etwa die Hälfte des Ausgangswerts.

ENDOINFO: Was glauben Sie, bis wann die Patienten von dem EPRD profitieren können?

Anneliese Bodemar: Sie profitieren bereits heute davon, wenn sie in eines der teilnehmenden Krankenhäuser gehen. Voll funktionsfähig wird das Register wohl nach fünf bis sieben Jahren sein, wie Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen.

ENDOINFO: Zurück nach Rheinland-Pfalz: Wie viele Kliniken beteiligen sich zum jetzigen Zeitpunkt bereits am Endoprothesenregister?

Anneliese Bodemar: Alle Krankenhäuser können sich seit Anfang 2014 am EPRD beteiligen. Bereits im ersten halben Jahr haben sich in Rheinland-Pfalz 22 Kliniken angemeldet, mehr als ein Drittel der Krankenhäuser im Land, die diese Operationen durchführen. Nach nun gut 15 Monaten sind wir bei einem Stand von 23. Das ist bedauerlich, da sich immerhin noch 37 Kliniken nicht für eine Teilnahme entschieden haben. Hier ist noch Überzeugungsarbeit notwendig.

ENDOINFO: Und wie sieht es in Rheinland-Pfalz mit den Wechseloperationen aus?

Anneliese Bodemar: Zunächst einmal ist zu sagen, dass Wechseloperationen deutlich anspruchsvoller und erheblich aufwendiger sind als Erstimplantationen. Das Risiko einer Komplikation wie beispielsweise einer Luxation oder einer Implantatfehllage ist zum Teil deutlich erhöht.

ENDOINFO: Können Sie das mit Zahlen belegen?

Anneliese Bodemar: Auffällig ist im Qualitätsreport 2013 das Ergebnis des Indikators „Reoperation aufgrund von Komplikation beim Hüftendoprothesenwechsel“. Dieser ist bundesweit im Vergleich zum Vorjahr um 0,7 Prozentpunkte gestiegen – von 6,3 Prozent auf 7,0 Prozent. In Rheinland-Pfalz beträgt diese Rate sogar 8,2 Prozent und ist gegenüber des Vorjahrs um 0,5 Prozentpunkte gestiegen. Rheinland-Pfalz liegt damit einiges über dem Bundesdurchschnitt und zwar auch unter Anwendung einer Risikoadjustierung. In Zahlen ausgedrückt traten in unserem Bundesland bei 1.098 Wechseloperationen in 90 Fällen Komplikationen auf, die zu einer erneuten Operation führten.

ENDOINFO: Welche Vorteile haben die Kliniken durch die Teilnahme am Endoprothesenregister?

Anneliese Bodemar, TK-Landesvertretung Rheinland-Pfalz:  Die Kliniken erhalten einmal jährlich eine Auswertung des EPRD (Endoprothesenregister Deutschland). Darin können sie ablesen, welche Prothesen in ihrem Haus wie oft eingesetzt wurden, wie sich die Zahl der Wechseloperationen entwickelt hat und warum es zu Revisionen gekommen ist – auch im Vergleich zum Durchschnitt aller teilnehmenden Kliniken. Hieraus können Krankenhäuser wichtige Erkenntnisse ziehen. Sollte es zu Rückrufaktionen kommen, können die betroffenen Patienten schneller und einfacher als heute ermittelt und benachrichtigt werden. Je mehr über die Qualität von künstlichen Hüft- und Kniegelenken sowie über die Operationstechniken bekannt ist, desto gezielter kann ein Krankenhaus den Gelenkersatz und die Versorgungsstrategie auswählen.

ENFOINFO: Für Kliniken, die nicht an dem Register teilnehmen, hat dies also auch Nachteile?

Anneliese Bodemar:  Dieses Risiko besteht durchaus. Denn sobald das System etabliert ist, könnten Patienten vermehrt auf dieses Qualitätskriterium achten. Viele Patienten sind gut informiert, auch dank des Internets. Die betroffenen Krankenhäuser werden sich irgendwann dazu äußern müssen, warum sie die Chance auf Qualitätsverbesserung und Erhöhung der Patientensicherheit nicht wahrnehmen.

ENDOINFO: Ihre Landesvertretung ist nicht nur Kooperationspartner des Endoprothesenregisters, sondern lobt auch EndoCert als sinnvolle Erweiterung. Worum handelt es sich hierbei?

Anneliese Bodemar:  Während es bei dem Endoprothesenregister um die Sicherheit der Medizinprodukte geht, ist das EndoCert ein Qualitätssiegel in der Endoprothetik. Damit auch die Kliniken, die solche Gelenk-Operationen durchführen, definierte Qualitätskriterien erfüllen, wurde zusätzlich das Zertifizierungssystem EndoCert ins Leben gerufen. Dieses Prüfsiegel richtet den Blick auf die Struktur- und Prozessqualität sowie auf die Überprüfung der Ergebnisqualität und ergänzt somit das Endoprothesenregister.

ENDOINFO: Das bedeutet, einzelne Kliniken können sich zertifizieren lassen?

Anneliese Bodemar: Genau. Die Zertifizierung erfolgt auf Antrag der Klinik, die zunächst in einem Erhebungsbogen darstellen muss, ob die Anforderungen erfüllt sind. Ein Audit vor Ort durch zwei Fachexperten schließt sich daran an. Erst dann entscheidet ein Ausschuss, ob das Zertifikat erteilt werden kann. Ein Kriterium für die Zertifizierung ist beispielsweise, dass an dem Klinikstandort mindestens 100 endoprothetische Hüft- und Kniegelenks-OPs durchgeführt werden.

ENDOINFO: Welche zusätzlichen Vorteile bietet das EndoCert?

Anneliese Bodemar: Bei jeder Operation muss ein gut ausgebildeter Operateur beteiligt sein. Zudem sind die Abläufe des Eingriffs transparent. Das Operationsergebnis wird nach strengen Qualitätskriterien bewertet. EndoCert ist schon heute ein Qualitätskriterium. Das haben auch viele Kliniken erkannt, die sich um eine Teilnahme bemühen.

ENDOINFO: Haben sich in Rheinland-Pfalz bereits Kliniken hierzu angemeldet?

Anneliese Bodemar, TK-Landesvertretung Rheinland-Pfalz: Derzeit sind 18 Endoprothetikzentren in Rheinland-Pfalz durch EndoCert zertifiziert.
Patienten, die nach einem zertifizierten Krankenhaus suchen möchten, können dies auf der Homepage der EndoCert-Initiative unter www.endomap.de oder www.endocert.de. Dort sind die Kliniken alphabetisch nach Ort gelistet.

ENDOINFO: Vielen Dank für dieses Interview.

Das Interview finden Sie hier auch auf der Seite der Techniker Krankenkasse.

Angebote der Techniker Krankenkasse zu künstlichen Gelenken
Informationen der Techniker Krankenkasse zu Hüft-Endoprothesen
Die Techniker Krankenkasse zum Implantatausweis

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Im Klinikverzeichnis von ENDOINFO.de (derzeit im Aufbau) finden Sie Kliniken, die am Endoprothesenregister Deutschland teilnehmen.

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